Bewegungs- und Gesundheitsförderung Nr. 9 – Juni 2021 BEWEGUNGSMEDIZIN SFGV: Jetzt Mitglied werden! www.sfgv.ch/home/formulare Die Halswirbelsäule: Ein aufgrund ihrer Sensibilität oft vernachlässigter Bereich im Training Die Psyche in der Krise: Wie können wir als Gesundheits- expert*innen mit den unter schied- lichen Wahrnehmungen und Erfahrungen der Pandemie umgehen? Vorschau: BranchenTag 2021 – verschoben auf den 3. September SFGV – Aktuell Der Besuch im Bundeshaus und die Diskussion mit Guy ParmelinBIOCIRCUIT Technogym setzt sich seit jeher für einen gesunden Lebensstil ein und setzt dabei auf die Bedeutung von Bewegung als effektive Form der Krankheitsprävention und -behandlung. Dank der Biodrive™ Technologie bietet der Biocircuit eine effektive und wissenschaftlich geprüfte Trainingslösung für ältere Menschen. 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Empl Design / Prepresse Astrid Affolter Korrektorat / Lektorat Ursula Thüler «Bewegungsmedizin» Die Fachzeitschrift mit Brancheninformationen für Einzelunternehmen der Fitness- und Bewegungsbranche Herausgeber Schweizerischer Fitness- und Gesundheitscenter Verband SFGV Arbeitgeberverband für Einzel-Fitnesscenter-Unternehmungen Geschäftsstelle, 3000 Bern Redaktion Claude Ammann, Irene Berger, Urs Geiger, Kilian Käppeli, Roland Steiner Chefredaktion André Tummer Produktion DIVERSUM Verlag Editorial 5 Fachliche Informationen Bewegungs- und Gesundheitsförderung Die Halswirbelsäule – ein im Training häufig vernachlässigter Bereich 6 Umsetzung in die Praxis: Training der aktiven und passiven Strukturen der HWS 14 Erfolgreiche Umsetzung der SFGV-Tools SFGV-Flyer: «Schluss mit Improvisieren!» 18 Fitness-Guide 20 Berufsbild: Aus- und Weiterbildung / Bewegungs- und Gesundheitsförderung Korrelationen zwischen Intensitätsbereichen und Wiederholungszahlen 22 Ausserordentliche Praxistage 2021 für angehende Fachleute Bewegungs- und Gesundheitsförderung 28 Expertenausbildung gestartet – Vorschau auf die eidg. Abschlussprüfung 30 News zu den Prüfungen für Spezialisten mit eidg. Fachausweis 32 Entwicklung zum Dienstleister Bewegungs- und Gesundheitsförderung Unsere «Psyche» in der Krise 34 SFGV – Aktuell BranchenTag 2021 – verschoben auf den 3. September 36 Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Zwangsschliessungen 38 Award – Lehrbetrieb des Jahres 2021 42 Besuch im Bundeshaus – Härtefallentschädigung: Wir kämpfen in jedem Kanton 46 Fit-News Die Chemie zwischen meinem Körper und mir 48 Ganz persönlich Vom Fitnesscenter zur Organisation «Bündner Qualitätsfitness» 50 Herzlich willkommen als Mitglied im SFGV! Neue Mitglieder 52 Swiss Fitness Solutions Gesundheitsmedizin BAG empfiehlt neu den Einsatz von CO 2 Sensoren 54Jetzt in Basel und Zürich! Mehr Infos auf hws.ch Qualifiziere dich in deinem Berufsfeld › Experte/Expertin Bewegungs- und Gesundheitsförderung mit eidg. Diplom › Spezialist/-in Bewegungs- und Gesundheitsförderung mit eidg. FA › Trainer/-in Bewegungs- und Gesundheits- förderung mit Branchenzertifikat › Fitness- und Bewegungstrainer/-in ANZEIGEBewegungsmedizin – Nr. 9 / Juni 2021 Der 19. April 2021 war ein Tag der Überraschung. Ehrlich gesagt hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht damit gerechnet, dass die Fitness- und Gesundheitscenter wieder öffnen dürfen. Natürlich waren unsere Kritiker über diese Lockerung höchst empört, und in den Tagen nach der Eröffnung überschlu- gen sich die Berichterstattungen in den Medien, die nur auf die nächste Schlagzeile über wieder ansteigende Fallzahlen infolge der Öffnung der Fitnesscenter warteten. Es geschah das, was wir immer schon vorausgesagt hat- ten: NICHTS! Im Gegenteil – trotz Öffnung und mehr erlaubten Kontakten ging die Zahl der Neuansteckungen zurück. Das Sinken der Zahlen seit Ende April hat natürlich mit den nun doch voranschreitenden Impfungen zu tun, mit der grossen Zahl der Genesenen und mit dem saisonalen Verlauf der Virusinfektionen. Und dennoch: hätten wir nicht durch unzählige Briefe an den Bundesrat, durch ständige Diskussionen mit Behör- den, durch unsere Schadensersatzklage, ja sogar durch ein persönliches Treffen mit dem Bundespräsidenten ständig auf uns aufmerksam gemacht, wären unsere Center sicher noch weiterhin geschlossen geblieben. Unseren europäischen Nachbarn geht es da ganz anders. Obwohl – gemessen an der Bevölkerungszahl – die Pandemie einen ähnlichen Verlauf hat wie bei uns, sind die Fitness- und Gesundheitscenter bis zum heutigen Zeitpunkt weiterhin ge- schlossen, weil keiner der politischen Entscheidungsträger sie wahrnimmt. Sport werde unter dem Aspekt des Luxus betrach - tet – ähnlich wie Kultur –, der Breitensport habe verloren, weil seine Bedeutung nicht erkannt wurde, meint Prof. Dr. Froböse von der Sporthochschule Köln. Auch wenn es kaum möglich ist, dieser Pandemie etwas Positives abzugewinnen, so lässt sich doch festhalten, dass wir es geschafft haben, unseren Wert als Gesundheitsdienstleister im gesellschaftspolitischen Umfeld besser darzustellen. Wir sind nicht mehr die kleine Hobbybranche, die man ohne grosse Kom- mentare als «Freizeitgestaltung» abtun kann – das haben jetzt wohl auch die Damen und Herren in Bern begriffen. Gehen wir also hocherhobenen Hauptes aus dieser Krise heraus und bauen diesen neuen Stellenwert weiter aus! Arbeiten wir gemeinsam weiterhin Tag für Tag daran, dass unsere Kritiker verstummen, weil ihnen nichts anderes übrigbleibt als anzuer- kennen, dass wir gesundheitlich systemrelevant sind. André Tummer Chefredaktor BEWEGUNGSMEDIZIN Editorial Liebe Leserinnen und LeserDie Halswirbelsäule – ein im Training häufig vernachlässigter Bereich Fachliche Informationen Bewegungs- und Gesundheitsförderung Ein systematisches und richtig dosiertes Training der Hals- wirbelsäule ist nötig, um diese belastbarer zu machen. Bewegungsmedizin – Nr. 9 / Juni 2021 6Bewegungsmedizin – Nr. 9 / Juni 2021 Vertebra cervicales (HWS-Wirbelkörper) Processus transversus (Querfortsatz) Discus intervertebralis (Bandscheibe) Arteria vertebralis (Arterie) Segment C4–C5 Nervenstrang André Tummer Die passiven Strukturen der Halswirbelsäule Bekanntlich ist die Wirbelsäule das Ach- senskelett des Rumpfes und besteht aus einzelnen Wirbeln, die durch Bandschei- ben und Bänder miteinander in Verbin- dung stehen. Funktionell kann die Wirbel- säule als eine vielgliedrige Gelenkkette aufgefasst werden. Durch diese Gelenk- kette werden Vor-, Rück- und Seitneigung sowie Rotation ermög- licht, jedoch gleichzeitig auch eingeschränkt durch die Bänder und die Bandscheiben, die fest mit den Wirbeln verwachsen sind. Die Halswirbelsäule, bestehend aus 7 Halswirbeln (C1–C7), bilden den oberen Abschnitt, dessen natürliche Krümmung eine Lordose (dorsal konkav) ist. Obwohl alle Wirbel einem gleichen Grundbau- plan folgen, haben die Halswirbel einige Besonderheiten auf- zuweisen. Die Wirbelkörper der Halswirbel sind entsprechend der nach unten zunehmenden Gewichtsbelastung die kleinsten der gesamten Wirbelsäule. Im Halsbereich sind die Querfortsätze relativ schlank, ebenso die horizontal gestellten Dornfortsätze, die zusätzlich an ihrem dorsalen Ende gespalten sind, um mehr Ansatzpunkte für die Muskeln der Feinmotorik zu bieten. Im unte- ren Halsbereich sind die Dornfortsätze zunehmend schräg nach unten gerichtet; der Dornfortsatz des 7. Halswirbels ist besonders stark ausgeprägt und unter der Haut deutlich tast- und sichtbar. Wie die anderen Wirbel haben auch die Halswirbel vier paarig angeordnete Gelenkfortsätze. In der Halswirbelsäule sind die fast ebenen Gelenkflächen schräg gegen die Horizontale nach hinten geneigt und erlauben somit insgesamt eine recht gute Beweg- lichkeit um alle drei Hauptachsen, im Gegensatz zu den sagittal gestellten Gelenkflächen im Lendenwirbelbereich, die eine starke Rotationshemmung im unteren Rücken verursachen. Nackenverspannungen kennen wir alle, und wahrscheinlich hat jeder schon einmal die berühmte «Halskehre» gehabt, weil Kopf und Kissen während des Schlafes einfach nicht zueinander gefunden haben. Weil die Halswirbel- säule eine hochsensible Struktur hat, wird sie im Training oft vernachlässigt, sodass ihre Muskulatur weiterhin geschwächt bleibt. Kein Wunder, dass das Beschwerdebild «HWS-Syndrom» mittlerweile weit verbreitet ist. Halswirbelsäule HWS C1–C7 (das C kommt von Cervical spine) 7Bewegungsmedizin – Nr. 9 / Juni 2021 Fachliche Informationen Bewegungs- und Gesundheitsförderung Quellungsdruck und Bandzug sorgen für passive Segmentstabilisierung Innerhalb eines Bewegungssegmentes zwischen zwei benach- barten Wirbeln wirken die Bandscheiben und die Bänder der Wir- belsäule zusammen. Der Nuclueus pulposus verfügt über einen bestimmten Quellungsdruck, der in alle Richtungen wirkt und die Wirbelkörper auseinandertreibt. Dadurch werden die Bänder so- wie der Anulus fibrosus der Bandscheiben unter Spannung ver- setzt. Quellungsdruck und Bandzug befinden sich in einem aus- gewogenen Verhältnis; somit verfügt die Wirbelsäule auch ohne Muskelzug über einen gewissen Selbstspannungsapparat ihrer Bewegungselemente. Ohne eine zusätzliche aktive, muskuläre Stabilisierung ist diese passive Spannung jedoch zu gering. Atlas und Axis Eine Ausnahme vom allgemeinen Aufbau machen die ersten bei- den Halswirbel (C1 und C2), die als Verbindung zum Kopf dessen Beweglichkeit ermöglichen. C1 trägt den Kopf und wird als Atlas bezeichnet. Der darunterliegende Halswirbel C2 wird aufgrund seiner Form und Funktion Axis genannt. Die beiden Wirbel sind untereinander durch besondere Gelenke verbunden, ebenso wie der Atlas mit dem Hinterhauptbein des Schädels. Eine Bandschei- be ist bei beiden Bewegungssegmenten nicht vorhanden. Der Atlas besitzt ausserdem auch keinen Wirbelkörper. Stattdessen ragt ein zahnförmiger Knochenfortsatz (Dens Axis) vom kleinen Wirbelkörper des Axis nach oben hinter den vorderen Atlasbogen. C1 und C2 bilden zusammen mit dem Hinterhauptbein das obere und das untere Kopfgelenk. Das untere Kopfgelenk ist ein Drehgelenk, dessen vertikale Achse durch den Dens axis verläuft. Um diesen dreht sich der Atlas mit dem Kopf. Das grosse Wirbelloch des Atlas wird quer von einem Band (Lig. Transversum atlantis) durchzogen, das so- mit an der Rückseite des Dens Axis anliegt und funktionell die Gelenkpfanne ergänzt. Dieses Band ist für die Führung der Drehbewegung im unteren Kopfgelenk von Bedeutung und es verhindert, etwa bei extremer Vorneigung des Kopfes, ein Ein- dringen des Dens axis in die dahinterliegenden Anteile des Zentralnervensystems. Der Atlas trägt an seiner Oberseite zwei laterale, konkave Gelenkflächen, die mit den konvexen Gelenkflächen des Hinter- hauptbeins das obere Kopfgelenk bilden. Diese stellen Ausschnit- te eines ellipsoiden Rotationskörpers dar, sodass dieses Gelenk als Ellipsoidgelenk um zwei Achsen beweglich ist. Um die Trans- versalachse kann der Kopf nach vorne und hinten geneigt wer- den, um die Sagittalachse erfolgt eine geringfügige Seitneigung. Gemeinsam wirken die Kopfgelenke wie ein Kugelgelenk, das allseitige Bewegungen des Kopfes gestattet. Das gesamte Bewegungsausmass kommt jedoch durch ein Zusammenwirken mit den übrigen Bewegungssegmenten der Halswirbelsäule zu- stande. Die Gesamtbeweglichkeit der Halswirbelsäule ist gross, obwohl zwischen den einzelnen Wirbelkörpern nur relativ geringe Bewegungen möglich sind. Aus der Summation dieser kleinen Bewegungsspielräume resultiert letztendlich der grosse Gesamt- bewegungsumfang, so auch das Vor- und Zurückschieben des Kopfes gegenüber dem Rumpf. Flexion65 Grad Extension 40 Grad Lateralflexion35 Grad Rotation 60 Grad Gelenk C0–C1Keine Rotation, nur Flexion und Extension Bewegungen in der HWS (Schünke et al.) Atlas und Axis C1 (Atlas) C2 (Axis) 8Bewegungsmedizin – Nr. 9 / Juni 2021 Muskeln der Halswirbelsäule Zu den zervikalen und ventralen Muskeln der Halswirbelsäule zählen insgesamt 30 verschiedene längere und kürze Muskel- züge. An dieser Stelle seinen nur die wichtigsten Muskeln ge- nannt, welche Bewegungen in der Halswirbelsäule ermöglichen. Die kurzen Nackenmuskeln gehören zu den sogenannten autochthonen Rückenmuskeln und befinden sich rechts und links neben der Halswirbelsäule. Die kurzen Muskeln im Bereich des Nackens arbeiten stabilisierend, tragen aber auch zu den Bewe- gungen im Bereich des Halses und des Kopfes bei. Zu den kurzen Nackenmuskeln gehören u. a.: M. rectus capitis posterior minor: Entspringt am Atlas und zieht fächerförmig nach oben in Richtung Schädel. An einer knö- chernen Struktur am Schädel (Linea nuchae inferior) setzt er an. Seine Aufgabe liegt vor allem im Heben des nach vorne gebeug- ten Kopfes. M. rectus capitis posterior major: Setzt am Dornfortsatz des zweiten Halswirbels an. Auch dieser Muskel zieht kopfwärts und setzt seitlich dieses Muskels ebenfalls an der Linea nuchea infe- rior an. Er ist vor allem für die seitlichen Kopfbewegungen (ge- meinsam mit dem M. sternocleidomastoideus) zuständig. M. obliquus capitis superior: Dieser Muskel entspringt an den Querfortsätzen des Atlas. Er zieht aus diesem Grund ganz weit aussen nach oben, setzt am knöchernen Hinterkopf (Os occipitale) an und bildet damit die beidseitige Aussenbegrenzungen der kurzen Nackenmuskeln. Seine Funktion ist vor allem das Nach- hinten-Legen des Kopfes. Einen kleinen Anteil hat der Muskel auch an der Links- und Rechtsdrehung des Kopfes. M. obliquus capitis inferior: Dieser Muskel zieht wiederum vom Dornfortsatz des zweiten Halswirbels zum Querfortsatz des ersten Wirbelkörpers, wo er befestigt ist. Er ist demnach der einzige Muskel der kurzen Nackenmuskeln, der keine direkte Ver- bindung mit dem knöchernen Schädel hat. Er hilft vor allem dem M. sternocleidomastoideus bei der seitlichen Kopfbewegung. M. semispinalis capitis: Zieht von den Processus transversi der 7. Brust- bis zum 3. Halswirbel zum Schädel. Bei beidseitiger An- spannung streckt er die Halswirbelsäule, bei einseitiger Kontrak- tion neigt er sie zur Seite. Die grösseren, eher oberflächlich liegenden Muskeln, die Einfluss auf die Bewegung der Halswirbelsäule haben, sind geläufiger. Dazu zählen u. a.: M. trapezius pars descendens: Zieht abwärts vom Hinterkopf zum lateralen Drittel der Clavicula. Bei fixiertem Schultergürtel löst er einseitig kontrahierend eine Lateralflexion und beidseitig das Heben des Kopfes aus. M. levator scapulae: Entspringt an den Querfortsätzen von At- las und Axis sowie am 3. und 4. Halswirbelkörper und setzt am Angulus superior und am Margo medialis des Schulterblattes an. Bei fixiertem Schulterblatt kommt es ebenfalls zu einer Seitnei- gung der Halswirbelsäule. M. obliquus capitis superiorM. rectus capitis posterior minorM. rectus posterior majorM. semispinalis capitisNext >